Moral und nicht-menschliche Tiere

Prämissen


1. Zahllose Lebensformen sind im Laufe der Erdgeschichte entstanden, wieder vergangen, haben sich verändert, weiterentwickelt und mündeten in dem Artenspektrum, das uns heute bekannt und vertraut ist. Die Entwicklung der pflanzlichen Vielfalt bleibt im Folgenden unberücksichtigt, betrachtet werden nur tierliche Organismen.


2. Durch die Prozesse der Evolution wurde jede Lebensform mit körperlichen Gegebenheiten und einem Bewusstseinsapparat ausgestattet, der es der Art x ermöglicht, einen Raum in der ökologischen und geographischen Mannigfaltigkeit zu besetzen und als Lebensraum, auch als Überlebensraum, zu nutzen.


3. In den Lebensräumen existieren die verschiedenen Arten miteinander, voneinander, aufeinander und ineinander. Durch die Bandbreite und Variabilität dieser Lebensräume entwickelte sich ein Artenspektrum, das Tierreich, das vom Einzeller bis hin zum hochkomplexen Säugetier reicht.


4. Die körperliche Ausstattung sei definiert als die äußere Form und innere Struktur einer Art x und der Bewusstseinsapparat als Verarbeitungszentrale der wahrnehmenden, agierenden/reagierenden, denkenden und entscheidenden Funktionen, die das entsprechende Wesen aus seiner Umwelt und aus seiner körperlichen/geistigen Substanz erhält oder abgibt.


5. Die körperliche Ausstattung einer Art x samt zugehörigem Bewusstseinsapparat ist zu einem beliebigen Zeitpunkt t(x) immer das situative Optimum der Evolution für alle erforderlichen und selektiven  Anpassungen in dem Zeitpunkt t(x) auf Grund ökologischer und geographischer Notwendigkeiten.


 
Kritik


1. Die Verwendung des Sammelbegriffs „Tiere“ steht einer zielgerichteten Analyse im Rahmen von Aussagen zur Ethik immer entgegen. Das häufig und gern verwendete Wort „Tierethik“ hat wesentliche Schwachpunkte, denn das Reich der Tiere gliedert sich formal in nicht-menschliche und menschliche Kreaturen.
Eine Ethik für menschliche Wesen erfordert auf Grund der Spezifika der vierten Prämisse einen anderen Input als bei der Betrachtung einer beliebigen Art x. Dies umso mehr, je weiter man im Artenspektrum sich Lebensformen nähert, die einfachste Strukturen bei Körper und Steuerungsapparat  aufweisen, insbesondere wenn man sich den phylogenetischen Wurzeln nähert.
Im Bereich der nicht-menschlichen Tiere ist jede vernünftige Argumentation sofort hinfällig, wenn eine Ethik die ganze Bandbreite der Spezies von beispielsweise der Amöbe bis zum Nashorn abdecken soll. Trotz theoretischer Wünschbarkeit eines einheitlichen Vorgehens  ist eine pragmatisch-heuristische Verfahrensweise nicht nur erforderlich sondern unabdingbar.

 

2. Jedes Leben ist in seiner Zuordnung zu einer Lebensform zufallsabhängig.
Es liegt nicht in der Macht eines Lebewesens, diese Form zu beeinflussen. Dies bedeutet in der Konsequenz, dass es nicht das Verdienst des Menschen ist, als Mensch geboren zu werden. „Nach dem Verdienstprinzip ist daher die Eigenschaft, einer bestimmten Spezies anzugehören, moralisch ebenso irrelevant wie Rasse, Geschlecht oder Augenfarbe[….]Die Entscheidung wird von der Natur getroffen, nicht von uns.“(Mark Rowlands, Gerechtigkeit für alle, in: Texte zur Tierethik, Reclam Nr. 18535)
Der Vogel, der Fisch, der Hund, das Schwein werden von der Natur – wie der Mensch - in ein Leben ohne eigene Entscheidungsmöglichkeit über die Lebensform geworfen, die für den Glücklichen Frieden, für den Unglücklichen aber Leid, Angst, Schmerz und grausamen Tod bedeutet.

 

3. Es ist evident, dass der Bewusstseinsapparat eines Fisches anderen Gegebenheiten entsprechen und genügen muss als der eines Vogels. Eine Form von Bewusstsein mit den Komponenten aus Prämisse vier ist in jeder Lebensform vorhanden, wenn auch in Ausprägung und Struktur sehr verschieden. Die Gewichtung der Einzelkomponenten differiert gravierend zwischen den einzelnen Lebensformen unterschiedlicher Spezies.
Bewusstsein entsteht mit der Zeugung, wächst im Laufe der Entwicklung des Individuums an und nimmt gegen Ende des Lebenszyklus wieder ab; Intensität und Breite des Bewusstseins variieren im Laufe der individuellen Existenz. Bewusstsein ist eine körperliche Komponente, entsteht mit dem Körper und vergeht mit ihm. Es ist das Abbild einer körperlichen Substanz, vergleichbar dem Computerbild als Abbild einer elektromechanischen Substanz. Ohne Körper kein Bewusstsein!
Bewusstsein ist der individuelle Fingerabdruck einer Lebensform und einer individuellen Existenz; mit dem Tod und der Auflösung des Körpers zerfallen alle seine Teile wieder in veränderte chemische Substanzen und Verbindungen.

Alle unterschiedlichen Lebensformen bewegen sich in parallelen Lebenswelten, in ihren individuellen Realitäten, Gewohnheiten und Kommunikationsmöglichkeiten. Jedes Lebewesen nimmt die ihn umgebende Welt anders wahr, da die Verknüpfung vom Mentalen zum Physischen speziesabhängig ist. Die Bakterie erlebt und erfährt die Welt, das Sein, das Leben anders als der Fisch, die Schlange anders als der Bussard, der Hund anders als der Mensch. „Die Tatsache, dass ein Organismus überhaupt bewusste Erfahrung hat, heißt im wesentlichen, dass es irgendwie ist, dieser Organismus zu sein[.…]Bewusste Erfahrung ist ein weitverbreitetes Phänomen. Sie taucht auf vielen Ebenen tierischen Lebens auf, obgleich wir nicht sicher sein können, dass sie in einfacheren Organismen vorkommt und es sehr schwer ist im allgemeinen zu sagen, was Indizien für sie liefert.“ (Thomas Nagel, „Wie ist es, eine Fledermaus zu sein?“)  Allenfalls Wahrscheinlichkeiten von Annahmen oder von Hypothesen sind seriös begründbar.
Es ist für den Menschen möglich, nicht-eigenen Lebenswelten zu beschreiben, aber unmöglich für ihn, in die inneren artfremden Empfindungsstrukturen einzudringen. Die subjektive Empfindungswelt einer Art x ist aus der Außenperspektive für eine Art y unzugänglich und kann ausschließlich aus der Innenperspektive der Art x wahrgenommen werden. Wir wissen nicht wie es ist, ein Reh, ein Aal, ein Habicht oder ein Kartoffelkäfer zu sein und werden es nie wissen. Unsere Bewusstseinsstruktur ist durch die Palette menschlicher Fähigkeiten eingeschränkt und limitiert, so dass die mentalen Ressourcen einer Art x ein Überspringen der Artengrenze verhindern. Damit steht fest, dass Lebensformen in ihrer „Weltsicht“, in ihrem subjektiven Charakter also, voneinander dauerhaft isoliert sind. Es existieren dem zu Folge zahllose unabhängige Lebenswelten am Busch der Evolution, die alle mit artspezifischen mentalen und physischen Strukturen von der Natur ausgestattet wurden.

Zur Verdeutlichung dieser Feststellung wird auf das Beispiel von  Thomas Nagel in “Wie ist es, eine Fledermaus zu sein?“ zurückgegriffen.
Fledermäuse weisen einen Sinnesapparat und Verhaltensweisen auf, die sich deutlich von menschlichem Verhalten unterscheiden. Wir schließen trotzdem daraus – wenn auch nur mit einer hohen begründeten Wahrscheinlichkeit, aber nicht mit absoluter Gewissheit – dass Fledermäuse Erlebnisse haben und es deshalb „irgendwie ist, sich irgendwie anfühlt, eine Fledermaus zu sein.“
Die Fledermaus nimmt die Außenwelt durch eine Art von Radar oder Echolotortung wahr, welche die Tiere befähigt, die Umgebung genau nach Größe, Abstand, Bewegung etc. zu erkennen. „Obwohl das Fledermaus-Radar klarerweise eine Form von Wahrnehmung ist, ist es in seinem Funktionieren keinem der Sinne ähnlich, die wir besitzen. Auch gibt es keinen Grund zu der Annahme, dass es subjektiv so wie irgendetwas ist, das wir erleben oder das wir uns vorstellen können.“
Weitere Überlegungen und Prüfungen führen zu dem Ergebnis, dass es keinerlei Methode für uns gibt, in das Innenleben der Fledermaus zu gelangen und das Erleben des Seins aus Fledermaussicht zu erfahren, d.h. zu erfahren, „wie es für eine Fledermaus ist, eine Fledermaus zu sein.“

Wie zuvor ausgeführt und am Beispiel verdeutlicht, umgibt jede Spezies gegenüber jeder anderen Spezies eine unüberwindliche Mauer artspezifischer mentaler Ressourcen mit folgenden Konsequenzen:

• Jede Spezies ist von einer anderen durch die Subjektivität der Innensicht getrennt bis isoliert. Die Innensicht bleibt für Beobachter aus der Außenwelt immer eine black box.
• Jede Spezies hat demzufolge ein individuelles Kommunikationsverhalten und individuelle „Denk- und Verhaltensstrukturen“.
• Jede Beurteilung und Bewertung einer Spezies mit menschlichen Attributen ist müßig. Es ist deshalb der größte methodische Fehler innerhalb der „Tierethik“ sowie im gesamten menschlichen Denken Werte, Normen und Vorstellungen aus der Menschenwelt auf andere Lebensformen zu übertragen. Dieses Faktum zu leugnen kennzeichnet das Ignoranz -System des Anthropozentrismus.

 

4. Moral ist eine Erfindung innerhalb der Menschenwelt, um das Miteinander der Individuen erträglicher zu gestalten.  Moraltheoretische Aussagen sind damit ausschließlich innerhalb der Menschenwelt darstellbar und begründbar, da weder Natur noch übrige Tierwelt eine irgendwie vergleichbar geartete Moral erkennen lassen. Dies hat zur Folge, dass  immer der Mensch Träger einer Moralidee ist. Er kann seine Moralvorstellungen, die über die Jahrhunderte sich drastisch verändert haben, kulturell stark divergieren und keine konstante, unveränderliche Größe darstellen, nur gegen sich selbst, gegenüber anderen Menschen
oder gegenüber ausgewählten Tierspezies realisieren. Keine Tierspezies kann jedoch gegen eine andere Spezies Moralvorstellungen haben, die menschlicher Moral gleichen.

Folgt man der „Kantischen Tierethik“ zeigt sich die anthropozentrische Perspektive unmittelbar. Der Gedankengang:
• Tiere sind vernunftlose Geschöpfe,
• daher haben sie keine Einsicht in das Sittengesetz,
begründet ein Denken und einen methodischen Fehlschluss, der bis heute unrevidiert in der Philosophie fortbesteht und nach wie vor für die Tierwelt die Vernichtungskatastrophe bedeutet.
Wenn Kant schreibt: " (...) der Mensch und überhaupt jedes vernünftige Wesen existiert als Zweck an sich selbst, nicht bloß als Mittel zum beliebigen Gebrauch für diesen oder jenen Willen (...). Die Wesen, deren Dasein zwar nicht auf unserm Willen, sondern der Natur beruht, haben dennoch, wenn sie vernunftlose Wesen sind, nur einen relativen Wert, als Mittel, und heißen daher Sachen, dagegen vernünftige Wesen Personen genannt werden, weil ihre Natur sie schon als Zwecke an sich selbst, d. i. als etwas, das nicht bloß als Mittel gebraucht werden darf, auszeichnet, mithin so fern alle Willkür einschränkt." (Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Reclam Ausgabe (R), hrsg. von Theodor Valentiner) dann besetzt er genau diese anthropozentrisch einseitige Position, indem er eine besondere menschliche Eigenschaft, nämlich die Fähigkeit zur Vernunft, als Alleinstellungsmerkmal herausgreift, um die Menschenwelt  moralisch höher zu positionieren als jedwede tierliche Lebensform.
 
Nun ist Vernunft, schaut man genauer hin, ein äußerst seltenes Gut. Zahlreichen Menschen fehlt sie auf Grund limitierender geistiger Fähigkeiten völlig, bei anderen tritt sie nur partiell in Erscheinung und ist bei nahezu allen anderen immer nur die dünne Zivilisationsdecke in der brodelnden Suppe menschlicher Emotionen und Instinkte. Als Bewertungskriterium und Unterscheidungsmerkmal ist die körperliche und mentale Fähigkeit zur Vernunft denkbar ungeeignet, denn eine Fähigkeit zu etwas setzt niemals zwingend voraus, dass dieses Etwas auch in der Realität vorhanden ist. Würde man - als Gedankenexperiment -  im Gegenzug die mentale Verarbeitungsfähigkeit des Seins einer Fledermaus als Entscheidungskriterium setzen, wäre der Mensch sofort aus seiner Spitzenstellung in der Hierarchie der Lebewesen eliminiert. Das unleugbare und unstrittige Alleinstellungsmerkmal des Menschen ist nicht die Vernunft, es ist sein Destruktionstrieb. Hierin steht er an Spitze der Hierarche der Lebewesen. Lediglich seiner hybriden, selbstgerechten und den Lebensformen aufgenötigten Moralvorstellungen würde er damit nicht gerecht. Moral ist die globale, kollektive Lebenslüge, Vernichtung der eigenen und insbesondere der nicht-menschlichen Spezies die Realität.
 
In die Kantische Gedankenlücke stieß Jeremy Bentham mit dem Hinweis, dass der Leidensfähigkeit einer Kreatur eine grundlegende Bedeutung zukommt, die später Peter Singer im Rahmen seiner utilitaristischen Sichtweise zum Speziesismus ausarbeitete.
„Der Tag mag kommen, an dem der Rest der belebten Schöpfung jene Rechte erwerben wird, die ihm nur von der Hand der Tyrannei vorenthalten werden konnten. Die Franzosen haben bereits entdeckt, dass die Schwärze der Haut kein Grund ist, ein menschliches Wesen hilflos der Laune eines Peinigers auszuliefern. Vielleicht wird eines Tages erkannt werden, dass die Anzahl der Beine, die Behaarung der Haut oder die Endung des Kreuzbeins ebenso wenig Gründe dafür sind, ein empfindendes Wesen diesem Schicksal zu überlassen. Was sonst sollte die unüberschreitbare Linie ausmachen? Ist es die Fähigkeit des Verstandes oder vielleicht die Fähigkeit der Rede? Ein voll ausgewachsenes Pferd aber oder ein Hund ist unvergleichlich verständiger und mitteilsamer als ein einen Tag oder eine Woche alter Säugling oder sogar als ein Säugling von einem Monat. Doch selbst wenn es anders wäre, was würde das ausmachen? Die Frage ist nicht: können sie verständig denken? Oder: können sie sprechen? Sondern: können sie leiden?" (gekürzt, Bentham, Jeremy. Introduction to the Principles of Morals and Legislation, second edition, 1823, chapter 17, footnote)

 

5. Das Gegenteil von Leiden, von der Leidensfähigkeit, ist das Wohlbefinden, bis hin zu Glücksgefühlen. Wenn wir begründet unterstellen, dass alle höher entwickelten Tierarten Bedürfnisse und Interessen haben, liegen diese Bedürfnisse und Interessen in der Bandbreite zwischen Leiden und Wohlbefinden. Bei allen anderen Lebensformen ist eine verlässliche und definitive Aussage aus menschlicher Sicht nicht möglich. Wir wissen nicht, können es nicht wissen und werden es nie wissen, wie es sich anfühlt, eine Mücke zu sein und kein menschliches Ohr hört den möglichen Schmerzensschrei der Spinne, des Krebses, des Regenwurms, der Wespe, ein „Schrei“, der wegen der anderen Lebensform völlig an unserem Vorstellungsvermögen vorbeigeht und trotzdem existent sein kann.

Ohne in sophistisch-theoretische Spitzfindigkeiten abzugleiten, sei Leidensfähigkeit deshalb pragmatisch derart definiert, dass ein Nervensystem Signale der Umwelt und des Körpers an ein wie auch immer geartetes Bewusstsein übermitteln und dort kausal verantwortlich sind, dass Zustände des Leidens, aber auch des Wohlbefindens erzeugt werden. Als Indikatoren und Markierungspunkte auf der Bandbreite der Bedürfnisse und Interessen mögen außer Schmerz auch Angst, Langeweile, Wut, Freiheitsverlangen, Apathie, Wunsch nach Artgenossen, beispielhaft dienen.

Betrachtet sich der Mensch aber - trotz seiner Isolation durch und in menschlicher Wahrnehmungsmöglichkeit - als moralisch verantwortlich für andere Lebensformen, muss er gedanklich akzeptieren, dass auch die Tierart x so wie er selbst auf Grund von Bedürfnissen und Interessen von der Natur als Zweck an sich und nicht nur als Mittel – schon gar nicht für die menschliche Spezies -  in den Lebenskreislauf der Natur gestellt wurde.
 
Zur Durchsetzung dieser Idee, dieser elementaren Forderung, hat sich die Menschenspezies zahlreiche Maxime formuliert, die gelegentlich, sofern es dem eigenen Nutzen dient, herangezogen werden.
So glänzt die Bibel mit blanken Anthropozentrismus und postuliert:……Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. (Mt 22, 39) und Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch. Das ist das Gesetz und die Propheten.(Mt 7, 12).
Mit der goldenen Regel „Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst.“ kann mit etwas gutem Willen eine schwache Aufweichung anthropozentrischer Sicht angenommen werden, bevor Kant mit dem Kategorischen Imperativ „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ wiederum nur für eine elitäre Welt des homo sapiens spricht.

Die Reduzierung vorgenannter Postulate und Maximen auf den rein menschlichen Sektor ist somit eine unzulässige Einschränkung und vehement zurückzuweisen. Es sind fragmentarische Regeln, weil sie den größten Teil aller Lebenswesen außer Acht lassen; in ihrer Konsequenz sind es lebensfeindliche, ja sogar lebensvernichtende Direktiven, denn es sind die Todesverdikte des Anthropozentrismus für nicht-menschliche Lebensformen.

Nach vorstehender moraltheoretischen Erörterung, die ihre Begründung und ihren Standpunkt aus einer Sichtweise bezieht, die alle Arten und Ausprägungen von Leben betrachtet, sind alle Tierspezies, sofern sie in den Wirkungsrahmen der Menschenspezies gelangen, als Objekte moralischer Rücksicht anzusehen und zu behandeln. Die mentale und physische Eigenständigkeit fremder Lebensformen, die Einmaligkeit ihrer Leben, die Erkenntnis, dass die Art x ein Leben führt, dessen Gefühls- und Erkenntniswelt uns dauerhaft verschlossen bleibt oder allein nur die einfache aber fundamentale Tatsache, dass diese Kreatur lebt, erfordert für den moralisch handelnden Menschen  Rücksicht , Respekt, Demut und Achtung vor einer Welt voller Lebensformen, deren Geheimnisse, deren Großartigkeit, deren Wille und Zweck ihm auf ewig unbegreiflich bleiben werden.

Ende

 „Was ist also Wahrheit? Ein bewegliches Heer von Metaphern, Metonymien, Anthropomorphismen, kurz eine Summe von menschlichen Relationen, die, poetisch und rhetorisch gesteigert, übertragen, geschmückt wurden und die nach langem Gebrauch einem Volke fest, kanonisch und verbindlich dünken: die Wahrheiten sind Illusionen, von denen man vergessen hat, daß sie welche sind, Metaphern, die abgenutzt und sinnlich kraftlos geworden sind, Münzen, die ihr Bild verloren haben und nun als Metall, nicht mehr als Münzen, in Betracht kommen.“

Friedrich Nietzsche: Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinn


28. 8. 2017  Gunter Bleibohm

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