... UND DAS LICHT KAM IN DIE WELT

von Liane Ludwig

Grelles Licht brannte Tränen in meine Augen.
Ich schrie so laut ich nur konnte.

Man hat mich verraten und rausgeworfen, man riss und zog mich,
quetschte mich und drängte mich unwiederbringlich hinaus, weg vom
einzigen warmen Platz den ich kannte, raus aus der dunkelheißen
Sicherheit meiner Höhle – die von Anbeginn der Zeit zu mir gehörte.
Die Geborgenheit, der ich mich anvertraut hatte, hat sich unerbittlich
von mir losgesagt.

Ich schrie so laut ich konnte.
Meine gesamte Verzweiflung brüllte ich hinaus ... in diese kalte,
fremde Welt,
die mir überall weh tat, die scharf und angsteinflößend roch,
die mir jegliche Kraft raubte.

Irgendwann wachte ich auf. Nein, falsch.
Ein wunderschönes Gefühl auf meiner Haut erweckte mich.
Etwas – jemand – streichelte mich sanft und warm.
Das Licht war weicher und zurückhaltend, die Höhle die ich verlassen
hatte, verblasste in meiner Erinnerung. Das hier war anders. Ich hörte
leise Laute und spürte plötzliche ein großes Wesen, das mir sehr nahe
kam und sich wärmestrahlend an mich presste. Eine süße Flüssigkeit
benetzte meinen Mund und erwischte meine Zunge. Es überkam mich
unbändige Gier danach, ich saugte wie wild und verschluckte mich fast
vor Freude und Glückseligkeit, als ich die Quelle dieses Elixiers mit
meinem kleinen Mund umschloss.

Die Zeit war für mich trinken, kuscheln und geliebt werden.

Es kamen Gesichter zu mir, anders schön und voller Güte, nannten meine
Welt „Stall" und brachten neue Lichter und Düfte mit. Sanfte Hände
streichelten mich, sanfte Stimmen sprachen zu mir. Unverständlich und
doch so klar, mild und rührend ... ich lebte in einem Meer von
Zärtlichkeit.

Das Schönste meines Lebens war das große Wesen, das mich fast dauernd
liebkoste, das mir diese süße, duftende Nahrung spendete, das mich
stets umsorgte. Es war mein Alles.

Auf einmal kam es.
Zuerst die Lichter. Danach die Gesichter – so schön und strahlend, ich
konnte zerfließen vor Liebe ... Vertraute Hände streichelten mich und
führten mich behutsam weg von meinem Alles. Doch ich wollte nicht weg.
Es trieb mich zurück, wie immer. Die sanften Hände wurden rauer, immer
härter, packten mich. „Es tut mir weh! Ich muss ihnen zeigen, dass sie
mir weh tun!" Mit meiner ganzen kindlichen Kraft widersetzte ich mich,
schlug blind um mich und blickte voll verzweifelter Hoffnung zurück zu
meinem geliebten Wesen. Plötzlich war es mit einer Kette angebunden.
Ich sah' noch wie es mit grauenerfüllten Augen daran zog und das
letzte was ich hören sollte - sein schmerzdurchdrungener Ruf - bohrte
sich wie eine Klinge in meine Seele.

Ich schrie so laut ich konnte.
Doch nichts schien mich zu hören ... Niemand schien zu verstehen.
Ich wimmerte und bettelte und flehte, ich wand mich und rief nach dem
verlorenen Wesen. Und plötzlich änderte sich alles: die gütigen
Gesichter wurden zu Fratzen. Sie fluchten und donnerten mich an.
Vertraute, zarte Hände verwandelten sich in schmerzhafte, eiserne
Krallen, in schlagende Stöcke. Wieder dieser scharfe, grauenerregende
Gestank. Er versetzte mich in schiere Panik, ich musste weg ...
–laufen, –treten ... wie nur? Wie sollte ich nur zurück in meine Welt?

Es kam einfach, und ging nicht mehr weg.
Die Zeit dehnte sich zum Zerreißen; der Schmerz, die Ohnmacht und die
grenzenlose Angst fraßen sich wie Säure in meine Brust, verbreiteten
sich zischend über die Welt und wurden zur einzigen Ewigkeit.

Taube Finsternis brannte Tränen in meine Augen.
Blut tropfte meine Kehle herab.

„Bei uns am Bauernhof wird Weihnachten besinnlich und bescheiden
gefeiert. Mit ehrlichen, echten Speisen: hausgemachte Kalbswurst und
Sauerkraut. Zur Feier des Herrn, dem Barmherzigen. Er war das Licht,
dass in einem Stall in die Welt kam."

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