Einige Zitate zum Antinatalismus

Friedrich Nietzsche: Die Geburt der Tragödie

Es geht die alte Sage, dass König Midas lange Zeit nach dem weisen Silen, dem Begleiter des Dionysus, im Walde gejagt habe, ohne ihn zu fangen. Als er ihm endlich in die Hände gefallen ist, fragt der König, was für den Menschen das Allerbeste und Allervorzüglichste sei. Starr und unbeweglich schweigt der Dämon; bis er, durch den König gezwungen, endlich unter gellem Lachen in diese Worte ausbricht: »Elendes Eintagsgeschlecht, des Zufalls Kinder und der Mühsal, was zwingst du mich dir zu sagen, was nicht zu hören für dich das Ersprießlichste ist? Das Allerbeste ist für dich gänzlich unerreichbar: nicht geboren zu sein, nicht zu sein, nichts zu sein. Das Zweitbeste aber ist für dich – bald zu sterben.


Jeremiah (Selbstverfluchung des Künders, 20, 14-18)

„ Verflucht sei der Tag, an dem ich geboren wurde!
Der Tag, da mich gebar meine Mutter – nicht der sei gesegnet!
Verflucht sei der Mann, der es verkündete meinem Vater, sprechend:“Geboren ist dir ein Sohn, ein Junge!“ erfreulich, ihn zu erfreuen-
Und sei es der Mann, eben der, wie die Städte die umstürzte JHWH,
und nicht reute es ihn!
Und er höre Geschrei am Morgen und Lärm zur Zeit des Mittags- er, der mich nicht sterben ließ vom Schoß aus (= aus Barmherzigkeit)
Und geworden wäre mir meine Mutter mein Grab und ihr Schoß (= ihr Erbarmen) schwanger aus ewig!
Wozu dies, daß ich aus dem Schoß ausfuhr, zu schauen Mühe und Gram,
und daß sich verzehrten in Schande meine Tage?


Luther-Bibel 1912, Das Buch Hiob, 3,1-26

1Darnach tat Hiob seinen Mund auf und verfluchte seinen Tag.
2Und Hiob sprach:
3Der Tag müsse verloren sein, darin ich geboren bin, und die Nacht, welche sprach: Es ist ein Männlein empfangen!
4Derselbe Tag müsse finster sein, und Gott von oben herab müsse nicht nach ihm fragen; kein Glanz müsse über ihn scheinen!
5Finsternis und Dunkel müssen ihn überwältigen, und dicke Wolken müssen über ihm bleiben, und der Dampf am Tage mache ihn grässlich!
6Die Nacht müsse Dunkel einnehmen; sie müsse sich nicht unter den Tagen des Jahres freuen noch in die Zahl der Monden kommen!
7Siehe, die Nacht müsse einsam sein und kein Jauchzen darin sein!
8Es müssen sie verfluchen die Verflucher des Tages und die da bereit sind, zu erregen den Leviathan!
9Ihre Sterne müssen finster sein in ihrer Dämmerung; sie hoffe aufs Licht, und es komme nicht, und müsse nicht sehen die Wimpern der Morgenröte,
10darum daß sie nicht verschlossen hat die Tür des
Leibes meiner Mutter und nicht verborgen das Unglück vor meinen Augen!
11Warum bin ich nicht gestorben von Mutterleib an? Warum bin ich nicht verschieden, da ich aus dem Leibe kam?
12Warum hat man mich auf den Schoß gesetzt? Warum bin ich mit Brüsten gesäugt?
13So läge ich doch nun und wäre still, schliefe und hätte Ruhe
14mit den Königen und Ratsherren auf Erden, die das Wüste bauen,
15oder mit den Fürsten, die Gold haben und deren Häuser voll Silber sind.
16Oder wie eine unzeitige Geburt, die man verborgen hat, wäre ich gar nicht, wie Kinder, die das Licht nie gesehen haben.
17Daselbst müssen doch aufhören die Gottlosen mit Toben; daselbst ruhen doch, die viel Mühe gehabt haben.
18Da haben doch miteinander Frieden die Gefangenen und hören nicht die Stimme des Drängers.
19Da sind beide, klein und groß, und der Knecht ist frei von seinem Herrn.
20Warum ist das Licht gegeben dem Mühseligen und das Leben den betrübten Herzen
21(die des Todes warten, und er kommt nicht, und grüben ihn wohl aus dem Verborgenen,
22die sich sehr freuten und fröhlich wären, wenn sie ein Grab bekämen),
23dem Manne, dessen Weg verborgen ist und vor ihm von Gott verzäunt ward?
24Denn wenn ich essen soll, muß ich seufzen, und mein Heulen fährt heraus wie Wasser.
25Denn was ich gefürchtet habe ist über mich gekommen, und was ich sorgte, hat mich getroffen.
26War ich nicht glückselig? War ich nicht fein stille? Hatte ich nicht gute Ruhe? Und es kommt solche Unruhe!


Luther-Bibel 1912: Der Prediger Salomo, 4, 1-3

1Ich wandte mich um und sah an alles Unrecht, das geschah unter der Sonne; und siehe, da waren die Tränen derer, so Unrecht litten und hatten keinen Tröster; und die ihnen Unrecht taten, waren zu mächtig, dass sie keinen Tröster haben konnten.
2Da lobte ich die Toten, die schon gestorben waren, mehr denn die Lebendigen, die noch das Leben hatten;
3und besser als alle beides ist, der noch nicht ist und des Bösen nicht innewird, das unter der Sonne geschieht.


Luther-Bibel 1912: Der Prediger Salomo, 7, 1-2

1Denn wer weiß, was dem Menschen nütze ist im Leben, solange er lebt in seiner Eitelkeit, welches dahinfährt wie ein Schatten? Oder wer will dem Menschen sagen, was nach ihm kommen wird unter der Sonne?
2Ein guter Ruf ist besser denn gute Salbe, und der Tag des Todes denn der Tag der Geburt.

Lk 23, 28-29

28Jesus aber wandte sich um zu ihnen und sprach: Ihr Töchter von Jerusalem, weinet nicht über mich, sondern weinet über euch selbst und über eure Kinder.
29Denn siehe, es wird die Zeit kommen, in welcher man sagen wird: Selig sind die Unfruchtbaren und die Leiber, die nicht geboren haben, und die Brüste, die nicht gesäugt haben!

Jes 54, 1

1Rühme, du Unfruchtbare, die du nicht gebierst! Freue dich mit Rühmen und jauchze, die du nicht schwanger bist! Denn die Einsame hat mehr Kinder, als die den Mann hat, spricht der HERR.

Jes 5, 8

8Weh denen, die ein Haus an das andere ziehen und einen Acker zum andern bringen, bis dass kein Raum mehr da sei, dass sie allein das Land besitzen!

Herodot, 5.Buch, Absatz 4

Wie es die Geten machen, die an die Unsterblichkeit glauben, habe ich schon erwähnt. Die Trauser machen es sonst ganz wie die übrigen Thraker, bei der Geburt und beim Tode eines Menschen aber haben sie besondere Bräuche. Wird ihnen ein Kind geboren, so kommen die Verwandten zusammen und bejammern es der Leiden wegen, die ihm im Leben bevorstehen, wobei sie alle Leiden aufzählen, die einem Menschen zustoßen können. Wenn aber einer stirbt, bringen sie ihn fröhlich mit Sang und Klang unter die Erde, weil er nun aller Leiden ledig und zum seligen Leben eingegangen ist.


Herodot, 7.Buch, Absatz 46

Das Leben ist der Güter größtes nicht. In diesem kurzen Menschenleben ist keinem, weder diesen noch anderen, ein so ungetrübtes Glück beschieden, daß er nicht manchmal wünschen sollte, lieber tot zu sein, als noch länger zu leben. Denn Unglücksfälle, von denen wir betroffen werden, und Krankheiten, welche uns heimsuchen, bewirken, daß uns dies Leben, so kurz es ist, dennoch zu lang deucht. So ist der Tod dem Menschen die erwünschte Erlösung aus den Nöten dieses Lebens, und der Gott, der uns das süße Leben kosten läßt, hat sich insofern neidisch bewiesen.


Sophokles: Ödipus auf Kolonos, Zeile 1225

„Nicht geboren zu werden übertrifft jedes Wort. Aber, wenn einer ins Licht
getreten, zu gehen dorthin, woher er kam, aufs schnellste, das nächstbeste ist es bei weitem.
Denn: Sah einer die Jugend verwehn, die luftreiche Narrheit betört,
welch leidreicher Schlag bleibt dann fern?


Heraklit (Etymologicum magnum ; auch Eustathios ad Iliad.I,p.31)

„Des Lebens Name ist zwar Leben, sein Werk aber ist Tod.“


Theogenis (Theogenis, v.425 ff.)

„Gar nicht geboren zu werden, das wäre für Menschen das Beste, nimmer des Sonnengotts sengende Strahlen zu schauen;  ist man aber
Geboren, so schnell, wie es geht, in des Hades Pforten zu dringen und dort unter der Erde zu ruhn“


Euridipes ( Hippolytos, 189)

„Voll Elend ist der Menschen Leben und kein Ende des Jammers.“


Euridipes, bei Plutarch in: De audiensis poetis, cap. 14, p. 36f.

 „Geborene zu beklagen, weil viel Schlimmem sie entgegengehen, aber
die Gestorbenen mit Freude zu geleiten und mit Segnungen, weil sie so vielen Leiden jetzt entronnen sind.“

 

Homer ( Ilias, XVII, 446)

„Denn nichts ist auf der Welt ein jammervolles Wesen / Als der Mensch, unter allem, was atmet und kriecht auf der Erde“


Seneca, Ad Marciam de consolatione 22,3

Wenn es das größte Glück ist, nicht geboren zu werden, so ist es, denke ich, das zweitgrößte, nach kurzer Lebenszeit dahinzuscheiden und schnell wieder ins reine Glück zurückzukehren.


Plinius ( Historia naturalis, XXVIII, 2)

„Deshalb möge jeder als Heilmittel seines Gemüts zuallererst den Gedanken anerkennen, dass unter allen Gütern, welche die Natur dem Menschen beschert hat, keines wertvoller ist als ein zeitiger Tod.“

Marc Aurel, Selbstbetrachtungen, IV, 50

Hinter Dir die Ewigkeit und vor Dir die Ewigkeit: dazwischen – was für ein Unterschied, ob Du drei Tage oder drei Jahrhunderte zu leben hast.


Shakespeare, Heinrich IV., Part. II, III

“ O, könnte man im Schicksalsbuche lesen,
Der Zeiten Umwälzung, des Zufalls Hohn
Darin ersehn, und wie Veränderung
Bald diesen Trank, bald jenen uns kredenzet, -
O, wer es säh! Und wär´s der frohste Jüngling,
Der, seines Lebens Lauf durchmusternd,
Das Überstandene, das Drohende erblickte, -
Er schlüg´ es zu, und setzt´ sich hin, und stürbe.“

 

Byron, Euthanasia, Str. 9

„ Überzähle die Freuden, welche deine Stunde gesehen haben;
Überzähle die Tage, die von Angst frei gewesen; und wisse, dass, was immer du gewesen sein magst, es etwas Besseres ist, nicht zu sein.“


Heinrich Heine, Morphine


Groß ist die Ähnlichkeit der beiden schönen
Jünglingsgestalten, ob der eine gleich
Viel blässer als der andre, auch viel strenger,
Fast möcht′ ich sagen viel vornehmer aussieht -
Als jener andre, welcher mich vertraulich
In seine Arme schloss - Wie lieblich sanft
War dann sein Lächeln und sein Blick wie selig!
Dann mocht′ es wohl geschehn, dass seines Hauptes
Mohnblumenkranz auch meine Stirn berührte
Und seltsam duftend allen Schmerz verscheuchte
Aus meiner Seel - Doch solche Linderung,
Sie dauert kurze Zeit; genesen gänzlich
Kann ich nur dann, wenn seine Fackel senkt
Der andre Bruder, der so ernst und bleich. Gut ist der Schlaf, der Tod ist besser - freilich
Das Beste wäre, nie geboren sein.


Arthur Schopenhauer, Aphorismen zur Lebensweisheit, Seite 110

„Wer aber vollends die Lehre meiner Philosophie in sich aufgenommen hat und daher weiß, dass unser ganzes Dasein etwas ist, das besser nicht wäre, und welches zu verneinen und abzuweisen die größte Weisheit ist, der wird auch von keinem Dinge, oder Zustand, große Erwartungen hegen, nach nichts auf der Welt mit Leidenschaft streben, noch große Klagen erheben über sein Verfehlen irgend einer Sache; sondern er wird von Plato´s „Auch ist keine menschliche Angelegenheit es wert, dass man sich sehr darum bemüht“ durchdrungen sein.

George Santayana, Vernunft in der Religion

„Die Tatsache, geboren worden zu sein, ist ein sehr schlechtes Omen für Unsterblichkeit.“


Sören Kierkegaard, Die Wiederholung, Seite 410

Mein Leben ist bis zum Äußersten gebracht; ich ekle mich vor dem Dasein, es ist geschmacklos ohne Salz und Sinn. Wenn ich hungriger als Pierrot wäre, gelüstete es mich dennoch nicht danach, jene Erklärung zu fressen, welche die Menschen anbieten. Man steckt den Finger in die Erde, um zu riechen, in welchem Land man sich befindet, ich stecke den Finger ins Dasein – es riecht nach nichts. Wo bin ich? Was will das besagen: die Welt? Was bedeutet dieses Wort? Wer hat mich in das Ganze hinein genarrt und lässt mich nun da stehen? Wer bin ich? Wie bin ich in die Welt hineingekommen; warum bin ich nicht gefragt worden, warum nicht mit Bräuchen und Regeln bekannt gemacht worden, sondern ins Glied gesteckt, als sei ich von einem Seelenverkooper gekauft? Wie bin ich Interessent in jener großen Enterprise geworden, die man die Wirklichkeit nennt?


Charles de Montesquieu, Perserbriefe, 40. Brief

Man sollte die Menschen bei ihrer Geburt beweinen, nicht bei ihrem Tod.


John Milton, Das verlorene Paradies , 10. Buch, Vers 746ff

„Ich ward, ward ohne meinen Willen; drum wär’s billig, ich würde wieder Staub auf meinen Wunsch, nimm alles hin, was ich empfing; zu schwer  sind die Bedingungen, die mir ein Glück, nach dem ich nicht gestrebt, verbürgen sollten!
 ... Du zeugtest mich? Weshalb? Ich heischt es nicht!“
 

Gustave Flaubert, Brief an Louise Colet, 11. Dezember 1852

Der Gedanke, jemanden  in diese Welt zu bringen, erfüllt mich mit Schrecken… Möge mein Fleisch doch völlig untergehen! Möge ich niemals jemandem den Stumpfsinn und die Schande der Existenz vererben!

 

Thomas Bernhard, Frost


Er sagte: ‚Die Menschen, die einen neuen Menschen machen, nehmen doch eine ungeheure Verantwortung auf sich. Alles unerfüllbar. Hoffnungslos. Das ist ein großes Verbrechen, einen Menschen zu machen, von dem man weiß, dass er unglücklich sein wird, wenigstens irgendwann einmal unglücklich sein wird. Das Unglück, das einen Augenblick lang existiert, ist das ganze Unglück. Ein Alleinsein erzeugen, weil man nicht mehr allein sein will, das ist verbrecherisch.’ Er sagte: ‚Der Antrieb der Natur ist verbrecherisch, und sich darauf berufen ist eine Ausrede, wie alles nur eine Ausrede ist, was Menschen anrühren.’


Thomas Bernhard, Alte Meister


„Wir schonen die Eltern, anstatt sie anzuklagen lebenslänglich des Verbrechens der Menschenzeugung, sagte er gestern. (...) sie haben mich, ohne mich zu fragen, erzeugt und sie haben mich, wie sie mich erzeugt und in die Welt gestürzt hatten, unterdrückt, sie haben das Erzeugungsverbrechen an mir begangen und das Unterdrückungsverbrechen.“


Thomas Bernhard, Die Kälte. Eine Isolation


„Das Leben ist nichts als ein Strafvollzug, du musst diesen Strafvollzug aushalten. Lebenslänglich. Die Welt ist eine Strafanstalt mit sehr wenig Bewegungsfreiheit. Die Hoffnungen erwiesen sich als Trugschluss. Wirst du entlassen, betrittst du in demselben Augenblick wieder die gleiche Strafanstalt. Du bist ein Strafgefangener, sonst nichts. Wenn dir eingeredet wird, das sei nicht wahr, höre zu und schweige. Bedenke, dass du bei deiner Geburt zu lebenslänglicher Strafanstalt verurteilt worden bist und dass deine Eltern schuld daran sind. Aber mache ihnen keine billigen Vorwürfe. Ob du willst oder nicht, du hast die Vorschriften, die in dieser Strafanstalt herrschen, haargenau zu befolgen. Befolgst du sie nicht, wird deine Strafhaft verschärft. Teile deine Strafhaft mit deinen Mithäftlingen, aber verbünde dich nie mit den Aufsehern. Diese Sätze entwickelten sich in mir damals ganz von selbst, einem Gebet nicht unähnlich. Sie sind mir bis heute geläufig, manchmal sage ich sie mir vor, sie haben ihren / Wert nicht verloren. Sie enthalten die Wahrheit aller Wahrheiten, so unbeholfen sie auch abgefasst sein mögen. Sie treffen auf jeden zu. Aber nicht immer sind wir bereit, sie anzunehmen.“


Thomas Bernhard, Der Untergeher


„Der Mensch ist das Unglück, sagte er immer wieder, dachte ich, nur der Dummkopf behauptet das Gegenteil. Geborenwerden ist ein Unglück, sagte er, und solange wir leben, setzen wir dieses Unglück fort, nur der Tod bricht es ab. Das heißt aber nicht, dass wir nur unglücklich sind, unser Unglück ist Voraussetzung dafür, dass wir auch glücklich sein können, nur über den Umweg des Unglücks können wir glücklich sein, sagte er, dachte ich.“
Thomas Bernhard, Frost
 „Wer ist denn auf die Idee gekommen, Menschen auf der Welt oder auf dem, was so heißt, herumgehen zu lassen, um sie dann in ein Grab, in ihr Grab, eingraben zu lassen?“


Thomas Bernhard, Alte Meister


 „…wie kann der Mensch einen und seinen Geburtstag feiern, habe ich immer gedacht, wo es doch nichts als ein Unglück ist, überhaupt auf der Welt zu sein, ja, habe ich immer gedacht, wenn die Menschen eine Gedenkstunde einsetzen würden, an ihrem Geburtstag, sozusagen als Gedenkstunde für die Untat, die ihnen von ihren Erzeugern angetan worden ist,…“
 „Es gibt ja nicht Verlogeneres, als diese Geburtstagsfeiern, zu welchen sich die Menschen hergeben, nichts Widerwärtiges als die Geburtstagsverlogenheit und die Geburtstagsheuchelei.“


Karl Jaspers


Die ungehemmte Vermehrung, als natürlicher Anspruch überall bejaht, von Kirchen und Staaten gar gefordert, ist als solche schon ein potentieller Eroberungsakt. Geburtenbeschränkung dagegen wird einst ein unumgänglicher Friedensakt sein.


Prof. Dr. Bernhard Grzimek

Ceterum censeo progreniem hominum esse deminuendam. – Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Nachkommenschaft der Menschen vermindert werden muss.

 

Emil Cioran, Die verfehlte Schöpfung

Es ist wichtig, die Fortpflanzung zu entmutigen, denn die Furcht, dass die Menschheit erlösche, hat keine Grundlage: was auch geschieht, es wird immer genug Blöde geben, die nichts besseres wünschen, als sich fortzusetzen, und wenn selbst sie sich schließlich entziehen, so wird sich immer irgendein widerliches Paar finden, das sich dafür opfert. Es geht nicht so sehr darum, den Hunger aufs Leben zu bekämpfen, als die Lust auf „Nachkommenschaft“. Die Eltern, die Erzeuger, sind Provokateure oder Irre. Dass noch die letzte Missgeburt die Gabe besitzt, Leben zu geben, „auf die Welt zu bringen“ – gibt es Demoralisierenderes?
Die kriminelle Aufforderung der Genesis: „Wachset und mehret euch“, konnte nicht aus dem Munde des guten Gottes gekommen sein. Seid selten, hätte er vermutlich empfohlen, wenn er mitzureden gehabt hätte. Niemals hätte er ferner jene unheilvollen Worte hinzufügen können: „Und macht euch die Erde untertan“. Man sollte sie sogleich ausmerzen, um die Bibel von der Schmach zu reinigen, sie aufgenommen zu haben. Das Fleisch wuchert immer mehr wie ein Ganggrän auf der Erdkruste. Es vermag sich keine Grenzen zu setzen, es wütet trotz allen üblen Erfahrungen, es hält seine Niederlagen für Eroberungen, es hat niemals etwas gelernt.


Heinrich Böll, Irisches Tagebuch

„Wie hoch ist der Fahrpreis für diese fünfzig, sechzig, siebzig Jahre vom Dock, das Geburt heißt, bis zu der Stelle im Ozean, wo der Schiffbruch erfolgt?“

…“ bis er gezwungen ist, wieder an die Oberfläche der Zeit zu tauchen, an den müden Paddelbewegungen irgendwie sich zu beteiligen, sinnlose und hilflose Bewegungen, da doch jedes Boot unweigerlich auf die dunklen Wasser des Styx zutreibt.“


Henrik Ibsen, Gespenster, 3. Akt

„Ich habe dich um das Leben nicht gebeten. Und was für ein Leben hast du mir denn gegeben? Ich will es nicht haben. Du sollst es mir wieder abnehmen!“

 

Lessing

Der Brief, den Lessing am 31. Dezember 1777 an Professor Eschenburg schrieb, ist für jeden, der ihn einmal las unvergesslich.
"Meine Freude war nur kurz. Und ich verlor ihn so ungern, diesen Sohn! Denn er hatte so viel Verstand! so viel Verstand! - Glauben Sie nicht, dass die wenigen Stunden meiner Vaterschaft mich schon zu so einem Affen von Vater gemacht haben! Ich weiß, was ich sage. - War es nicht Verstand, dass man ihn mit eisernen Zangen auf die Welt ziehen musste? Dass er so bald Unrat merkte? - War es nicht Verstand, dass er die erste Gelegenheit ergriff, sich wieder davon zu machen? - Freilich zerrt mir der kleine Ruschelkopf auch die Mutter mit fort! - Denn noch ist wenig Hoffnung, dass ich sie behalten werde. - Ich wollte es auch einmal so gut haben wie andere Menschen. Aber es ist mir schlecht bekommen."


Hans Henny Jahnn, Weihnachtsappell 1956

Der Anspruch des Menschen ist absurd. Nicht nur die Menschheit, auch die Tierheit hat ein Recht auf Lebensmöglichkeit. Es ist einfach nicht wahr, dass die Menschheit sich ungezügelt noch weiter vermehren dürfte. Ihre Zahl ist bereits zu groß. ... Die Zahl vermehrt die Not, die seelische Qual, die physischen Schmerzen.


Martin Neuffer,  Nein zum Leben

"Vor allem stellt die grandiose Lebensverschwendung der Natur das in unserer Sittlichkeit tief verankerte Prinzip der Ehrfurcht vor dem Leben oder gar der Heiligkeit des Lebens von Grund auf in Frage. Eine Schöpfung, die ihren "Betrieb" und ihre evolutionäre Weiterentwicklung ausschließlich über den Weg einer permanenten Massenvernichtung aller ihrer lebenden Geschöpfe betreibt, lässt nicht gerade darauf schließen, dass sie dem einzelnen Lebewesen - und sei es vernunft - und empfindungsbegabt - irgendeinen Eigenwert zuerkennt.
Wenn Rückschlüsse vom Verhalten eines Systems auf die Intentionen seines Urhebers, in welchem Maße auch immer, überhaupt Aufschluss geben können, so lässt sich für unseren Kosmos daraus nur die Hypothese gewinnen, dass sein Schöpfer dem individuellen Leben keinen besonderen Rang, sondern im Gegenteil völlige Gleichgültigkeit hat zuteil werden lassen."

Martin Neuffer,  Nein zum Leben

„An meiner eigenen persönlichen Position soll kein Zweifel bleiben. Ich halte die Bedingungen menschlichen Lebens für schlechthin unzumutbar. Intelligente Lebewesen mit einem Todesurteil für eine befristete Zeit ins Leben zu rufen, sie schwersten Leiden auszusetzen, ihre Existenz vom Verzehr anderer Organismen
abhängig zu machen, sie isoliert und ohne Perspektive als Entwicklungsform auszuprobieren und ins Leere laufen zu lassen, ihnen eine Moral zu geben ohne jede Chance, schuldlos zu bleiben, ihr Scheitern und ihren Untergang auch als Kollektiv fest zu programmieren - das sind Konditionen, die auch durch eine
gehörige Zugabe  spontaner Lebensfreude nicht annehmbar werden. Dies fordert ein Nein zum Leben geradezu heraus.“


Walter Jens, Macht der Erinnerung, Düsseldorf/Zürich 1997, S.144ff

Jeder, der übers Maß hinaus,
das ihm gesetzt ist,
ein längeres Leben begehrt,
das glückliche Alter
und, weitweit entfernt,
ein seliges Ende,
der ist ein Narr.
Leid auf Leid häuft ja das Alter,
und je mehr du verweilst
unter den Menschen,
desto dunkler werden die Tage.
Dahin sind die Freuden,
wenn du länger zu leben begehrst,
als dem Menschen, mit dem gerechten Maß,
zugeteilt ist.
Helfer allein, Gefährte und Retter,
ist dann der Tod,
der jedem das seine bemißt.
Kein Brautlied erklingt, kein Hochzeitsgesang,
wenn der Tod das Stundenglas leert –
kein Körnchen noch, das hinabrieseln konnte,
kein Tanz, kein Becherklang mehr:
Nur Dunkel und Tod.

Nie geboren zu sein,
das ist das Höchste.
Doch wenn du schon lebst,
dann nenn ich als zweites die Heimkehr dorthin,
woher du kamst.
Ist erst die Jugend vorbei,
Leichtsinn und Anmut und Torheit
und lustiges Tändeln,
dann kommt die Mühsal,
und niemand ist frei von Elend und Schmerzen,
Mord, Zwist und Krieg,
von Haß und Verachtung.
Und dann das Alter, kraftlos und matt,
keine Freundlichkeit mehr, keine Liebe:
Gemein und verächtlich,
so geht es mühsam, Schritt für Schritt,
auf den Tod zu.

 

Anton Wildgans: Dies irae, Gesammelte Werke. Leipzig: L. Staackmann Verlag, 1930, Bd. 4, S. 198f

Wer darf solchen Herzens
Einen Menschen aufwecken
Aus dem Schlummer des Nichtseins?
Schläft er nicht in süßester Dämmernis
Angstverschont, notgefeit, wunschlos?
Schläft er nicht
Keimgeborgen, erdeneins, gotteins?
Hörtet ihr seine Stimme
Jemals rufen nach euerem Leben?
Ihr ruft ihn, nicht er euch!
Und ist er dann da, ans Licht gezwungen,
Ist nicht sein erster Laut Schrei?
Blendung das erste Gefühl seiner Augen?
Hunger das erste Wissen von seinem Ich?!
Menschenanfang ist Leidbeginn!
Lebensbeginn ist Sterbens Anfang!
Wer ist so ruchlos,
Einen Menschen zu wecken
Aus dem Schlummer des Nichtseins?


Dante, Göttliche Komödie, Bechtermünz Verlag o. J., Die Hölle, dritter Gesang, S. 24

„Sie lästerten auf Gott und ihre Eltern,
Die Menschheit und den Ort, die Zeit, den Samen,
Aus welchem sie erzeuget und geboren.“


John Milton, Das Verlorene Paradies, zehntes Buch, 743ff, Zweitausendeins, Ff/M 2008, S. 501

siehe hierzu auch: http://www.tabularasa-jena.de/artikel/artikel_1864/ 

„Bat ich dich etwa, Schöpfer, mich aus Ton
Zum Menschen zu gestalten, aus dem Dunkel mich zu erheben oder mich hierher
Ins Paradies zu setzen? Nein, ich war,
Ward ohne meinen Willen; drum wär’s billig,
Ich würde wieder Staub auf meinen Wunsch.
Nimm alles hin, was ich empfing; zu schwer
Sind die Bedingungen, die mir ein Glück,
Nach dem ich nicht gestrebt, verbürgen sollten!“


Georges Poulet, Rien n'est..., Librairie Ollendorf, Paris 1913, S. 87ff

Näheres siehe bei  "VON DER EXISTENZVERWÜNSCHUNG ZUR DASEINSANKLAGE"

 

http://www.tabularasa-jena.de/artikel/artikel_3818/

 

Ich weiß sehr wohl, dass es wie eine große Dummheit klingen muss, wenn ich jetzt erkläre, dass
ich nicht darum gebeten habe, geboren zu werden. Aber dem ist tatsächlich so. Kennst Du Artikel 1382 des Code Civil?
– Nein, sagte ich, überrascht, dass der Code Civil in diese Geschichte hereinspielt.
– Artikel 1382 sagt wörtlich: „Jede Handlung eines Menschen, von welcher Art sie auch sei, verpflichtet, wenn sie einem anderen Schaden verursacht, denjenigen, durch dessen Verschulden dies geschah, zur Entschädigung.“ Also: An jenem Tag, an dem meine Mutter zustimmte, ihn ein wenig zu unterhalten, hatte Galipiat seinen Spaß; doch bin gewissermaßen ich es, der für den Schaden aufkommen muss. Er ist der Urheber eines mir zugefügten Schadens, da er in leidschwangerer Dienstbarkeit das Leben an mich ebenso weitergegeben hat wie all die Krankheiten, die er, seine Frau und ihre Vorfahren im Laufe ihrer Ausschweifungen gesammelt haben, ihrer Abenteuer und Strapazen, ganz zu schweigen von denen, die ich mir im Zuge meiner eigenen Exzesse und persönlichen Katastrophen zuziehen werde


Du meinst, dass ich in diese Welt geworfen wurde, geht auf die Unvorsichtigkeit oder Nachlässigkeit meines Vaters zurück; [...] In seinem Innersten hat er meine Geburt verfügt. Er sagte: Ich, Blaise-Isidore-Anastase Galipat, Besitzer einer Kolonialwarenhandlung in Javeau-le-Fleuri, verurteile den künftigen Andoche, meinen legalen und legitimen Sohn, um meines reinen Vergnügens willen zu allen Kümmernissen, Strapazen, Qualen, niederen Tätigkeiten, sozialen Verpflichtungen, gesellschaftlichen Zwängen, körperlichen Leiden, Gewissensmartern und liefere ihn jeglichen Plagen aus, aller Trübsal und Misere, dem Todesröcheln, Grauen und Aufstoßen, die mit dem Dasein in dieser niederen Welt einhergehen [...] und ich tue dies in letzter Instanz, ohne Möglichkeit zum Einspruch, ohne dass er sich alledem entziehen oder protestieren könnte, bis dass der Tod eintritt.


Alred Polgar, Das Kind
(In: Kreislauf, Kleinere Schriften, Band 2
)

Nun das Kind zur Welt gekommen ist, haben alle, mit Ausnahme des Neugeborenen, große Freude. Verwandte und Bekannte blicken lächelnd auf das feuerrote, verrunzelte Stückchen Mensch, obzwar es doch eigentlich mehr Gefühl des Mitleids wecken  sollte, denn da es ins Leben trat, trat es ja in den Tod, und mit jeder Sekunde, die es sich vom Augenblick seines Anfangs entfernt, nähert es sich dem Augenblick seines Endes. Vor neun Monaten noch unsterblich wie eine ewige Idee, ein göttliches Prinzip, ist es nun schon mittendrin im Sterben..

Kant, Metaphysik der Sitten: Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre, 1. Teil, § 28

"ist es eine in praktischer Hinsicht ganz richtige und auch notwendige Idee, den Akt der Zeugung als einen solchen anzusehen, wodurch wir eine Person ohne ihre Einwilligung auf die Welt gesetzt und eigenmächtig in sie herüber gebracht haben; für welche Tat auf den Eltern nun auch eine Verbindlichkeit haftet, sie, so viel in ihren Kräften ist, mit diesem ihrem Zustande zufrieden zu machen."

Philippe Annaba, CRIS, SANS TITRE, SANS MUSIQUE, SANS RIEN..., Editions Pierre Jean Oswald, Paris 1973, S. 16

Übersetzung von Karim Akerma (www.akerma.de

Dass die Menschheit doch rebelliere
gegen die sich Fortpflanzenden!...
Stattdessen aber
pflegt die Menschheit
das Verbrechen der Fortzeugung!...
Sie reden von Liebe
Und es ist der Fortpflanzungstrieb


Philippe Annaba, CRIS, SANS TITRE, SANS MUSIQUE, SANS RIEN..., Editions Pierre Jean Oswald, Paris 1973, S. 12

Übersetzung von Karim Akerma (http://www.akerma.de/

Nur wer sich fortpflanzt, ist verantwortlich
für sich selbst
für die Gesellschaft,
für die Menschheit und ihre Verbrechen…


Philippe Annaba, CRIS, SANS TITRE, SANS MUSIQUE, SANS RIEN..., Editions Pierre Jean Oswald, Paris 1973, S. 14

Übersetzung von Karim Akerma (http://www.akerma.de/


Ruhig schlafen die Kühe,
friedlich käuen sie wieder,
denn sie ahnen nicht, dass ihr Kalb
morgen schon beim Schlachter ist…
in der Arena…
vielleicht ist es ihnen auch einfach egal…
wie vielleicht auch Ihnen
das Schicksal Ihrer Kinder gleichgültig ist?...

Philippe Annaba, Bienheureux les stériles, Toulon 2002, S. 109)

Übersetzung von Karim Akerma (http://www.akerma.de/

Wir haben keine Revolution mehr zu vollbringen,
Oder zu erwarten.
Nur das Eine ist noch dringlich,
Dieses Eine noch zu beachten:
Von der Fortpflanzung abzusehen.
Um Frieden mit der Geschichte zu schließen,
Die mit unserem letzten Tag verschwände.
Mit der Gegenwart Frieden zu schließen,
die endlich uns gehörte.
Um mit der Zukunft einen Frieden zu schließen,
Die uns nicht mehr beträfe.


Philippe Annaba, Proférations gnostiques, Toulon 2008, S. 34

Übersetzung von Karim Akerma (http://www.akerma.de/

Seit vierzig Jahren schon verlacht ihr
meine antinatalistischen Verwünschungen.


Philippe Annaba, Proférations gnostiques, Toulon 2008, S. 44

Übersetzung von Karim Akerma (http://www.akerma.de/

Vor allen Göttern des Himmels,
Vor der Großen Weisheit des Weltalls,
Vor der Leere und dem Nichts,
verkünde ich meine absolute Absage
an jegliche Wiedergeburt
als was auch immer,
als wer auch immer.

 

Roland Jaccard

Übersetzung von Karim Akerma (http://www.akerma.de/

L’âme est un vaste pays 

Wir leben in einer mit Kadavern übersäten Wüste.
Wozu nur diese Reise aus dem Uterus ins Grab?
Ich komme nicht umhin, von Frauen, die sich fortpflanzen, einen schlechten Eindruck zu haben. In meinen Augen verlieren sie dadurch erheblich an Menschlichkeit. Zu wissen, dass es sich hierbei um ein dummes Vorurteil handelt, trägt nicht dazu bei, es loszuwerden.
Neben mir eine Mutter mit ihrer kleinen Tochter. Die Mutter hört nicht auf, ihr Kind runterzumachen, es zu kritisieren, zu entwürdigen. Ich habe dies häufig beobachtet: Ein Mädchen hat keinen schlimmeren Feind als seine Mutter. Von einer Generation zur nächsten rächen die Töchter sich an dem, was ihre Mütter ihnen angetan haben.
Wie machen es all die mich umgebenden Leute nur, das Leben zu ertragen, es zu lieben ? Und was für ein Wahnsinn treibt sie dahin, es weiterzugeben?
Hat man eine gewisse Schwelle des Verdrusses hinter sich gelassen, ist es absurd, im Dasein zu verbleiben. Doch ist es, leider!, auch nicht so ganz einfach, sich daraus zu verabschieden.
Wir sollten nicht aus dem Blick verlieren, dass die Erde nichts als eine große Strafkolonie ist. Welche Verbrechen müssen wir wohl begangen haben, um darin zu landen?


Die Anhänger des Lebens um jeden Preis preisen den Anreiz zum Gebären wie ein Gegenmittel zum Altern der Bevölkerung. Seltsame Überlegung! […] Ein Kind ist ein künftiger Alter, muss man wirklich eigens daran erinnern?
Zu leben darf keine Pflichterfüllung sein, es muss eine Freude sein. Wir haben nicht darum gebeten, geboren zu werden und dürfen dem Leben folglich nur im Rahmen eines täglich zu erneuernden Vertrags zustimmen, der mit derselben Fälligkeit kündbar ist.

La tentation nihiliste 
Kinder zu wollen, heißt, sich an der eigenen Vergangenheit rächen wollen. Für die Frau bedeutet dies, dass sie die eigene Mutter mit ihrem Hass beschenkt und für den Mann, dass er zu seinem Vater oder zu Gott mit dem schwachsinnigen Unterfangen in Konkurrenz tritt, eine Nachwelt zu hinterlassen. Und für jedes Paar ist dies ein Heilmittel gegen die Verzweiflung. Wenn das Leben alle unsere Erwartungen enttäuscht hat; wenn man den Versuch aufgegeben hat, etwas aus sich zu machen; wenn man ahnt, dass alles irgendwie kaputt ist: dann begibt man sich nicht in die Leichenhalle, sondern bittet seine Familie und die Nächsten an einen noch trüberen, weil noch kitschigeren Ort: die Entbindungsstation.


Gandhi

The Collected Works of Mahatma Gandhi (Electronic Book), New Delhi, Publications Division Government of India, 1999, 98 Bände 

Siehe hierzu http://www.akerma.de/index2.html 

„Ich meine ganz und gar nicht, dass die Fortpflanzung eine Pflicht ist oder dass die Welt ohne sie einen Verlust erleiden würde. Stell dir vor, jegliche Fortpflanzung würde eingestellt, diese würde nur bedeuten, dass es keinerlei Zerstörung mehr gibt.“ (Bd. 26: 24 JANUARY, 1922–12 NOVEMBER, 1923, S. 369) Im Übrigen ist Gandhi zufolge nicht ein Kind unter einer Million ein Wunschkind, sondern, wie er – notwendigerweise auch selbstkritisch – bemängelt, eher das beiläufige Produkt einer naturgegebenen Verhaltensweise, durch die sich der Mensch nicht sonderlich vor den Tieren auszeichne: „Es mag sein, dass vielleicht einer in einer Million den Geschlechtsverkehr zum Zwecke der Fortpflanzung ausübt. Mir ist eine solche Person noch nicht über den Weg gelaufen.“ (Bd.85: 2 OCTOBER, 1944–3 MARCH, 1945, S. 418)

 „Gelänge es mir, die Fortpflanzung auf zivilisierte Weise und freiwilliger Basis zu stoppen, während sich Indien noch im derzeitigen miserablen Zustand befindet, so würde ich es heute noch tun. Aber ich weiß, dass dies unmöglich ist.“ (Bd. 23: 6 APRIL, 1921–21 JULY, 1921, S. 89)
 
 „Die ganze Welt ist ihm eine große Familie. Sein ganzes Anliegen zielt darauf ab, das Leid der Menschen zu lindern, und der Wunsch nach Fortpflanzung ist ihm Galle und Wermut.“ (Bd. 35: 2 APRIL 1926–7 JULY, 1926, S. 17f [Young India, 29.4.1926])

 „Wenn wir uns vermehren, erhöhen wir nur die Anzahl der Sklaven und Schwächlinge und bleiben bei alledem hilflos, von Krankheiten heimgesucht und vom Hunger geplagt. Erst nachdem Indien ein freies Land geworden, vermeidbares Verhungern abwenden kann… und der Malaria, Cholera, Grippe und anderen Epidemien gewachsen ist, haben wir ein Recht auf Nachkommen. Ich will dem Leser nicht verhehlen, dass ich Berichte über Geburten in diesem Land mit großem Kummer zur Kenntnis nehme.“ (Bd. 21: 1 JULY, 1920–21 NOVEMBER, 1920, S. 357)

„Wenn Zerstörung Gewalt ist, dann ist auch die Schaffung von etwas Gewalt. Deshalb beinhaltet die Zeugung Gewalt. Die Schaffung von etwas, was dazu verurteilt ist, zugrunde zu gehen, beinhaltet in der Tat Gewalt.“ (Bd. 37: 11 NOVEMBER, 1926–1 JANUARY, 1927, S. 337f)

 

Georg Luck : Die Weisheit der Hunde - Texte der antiken Kyniker
                   
Diogenes  Epist.47 = G.577

(An Zenon) Man soll nicht heiraten, keine Kinder aufziehen, denn unser
Geschlecht ist schwach, und Kinder belasten die menschliche Schwäche mit Sorgen. Wer aus Begier eine Ehe eingeht und Kinder aufzieht, wird es
später bereuen, wenn er einsieht, wie mühevoll das ist; dabei hätte er es von Anfang an vermeiden können. Wer frei von Leidenschaft ist und das, was er hat, für ausreichend hält, um ein genügsames Leben zu fristen, wird Ehe und Kinderzeugen ablehnen. „Aber dann wird die Menschheit aussterben, denn wo sollen die folgenden Generationen herkommen?“
wirst du fragen. Wenn doch nur die Dummheit aus dem Leben verschwände und alle weise würden! So aber wird vielleicht nur der eine, den ich überzeugen kann, allein bleiben, und der Rest der Menschheit wird
(weiterhin) Kinder zeugen. Aber auch dann, wenn die Gattung Mensch
aussterben sollte – müsste man das so sehr beklagen, wie wenn die Gattung Mücke oder Wespe verschwinden würde? So reden Menschen, die die wahre Natur der Dinge nicht betrachtet haben.

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